Stefania Andorlini wurde in Florenz, Italien, geboren, und lebte dort bis zu ihrem Universitätsabschluss. Seit 25 Jahren betreut sie in Deutschland Interior Design Projekte – von Lofts und Einfamilienhäuser über Büros bis zu Restaurants oder bed & breakfast in Florenz. 2000 machte sie sich als Interior Designerin selbstständig. Seit 2008 entwirft sie darüber hinaus sehr erfolgreich kleine Möbelserien und Unikate.

Sie haben lange in Ihrer Geburtsstadt Florenz gelebt, der Wiege der italienischen Renaissance. Wie stark hat Sie dieses Umfeld künstlerisch geprägt?
Sehr. Man atmet Schönheit, Grandezza, Mut, Grazie & Proportionen jahrzehntelang ein. Es bewirkt eine Menge, bewusst und unbewusst.

Wie begann Ihre Karriere als Designerin?
Durch die Gelegenheit, die ich von meinem nicht unmutigen Ex-Mann bekam, Häuser für uns umzubauen.

Mit welchen Materialien, Strukturen und Farben arbeiten Sie besonders gerne?

Ich mag alle Materialien ... Wichtig ist es mir, die Materialität zu spüren. Zu sehen, was ein Material zur Geltung bringt und was es tötet. Es ist auch eine Art Kunst, das richtige zu wählen, so dass man bei der Betrachtung denkt: perfekt. Es könnte nicht anders sein. Dann ist das Ziel erreicht: eine Notwendigkeit zu schaffen.
Die Welt der Kunststoffe und die Entdeckung neuer Materialien fasziniert mich ungemein, das ermöglicht weitere Konzeptionen. Aber ich hasse den trendy Materialmix, das Gewollte, das Unnötige, das Auswechselbare. Ich bevorzuge Umgebungen in Naturfarben, sie wirken elegant und sind beruhigend. Aber ich mag auch andere Farben, insbesondere Rot, die Königin unter den Farben. Entscheidend ist, wie man sie im Kontext einsetzt.

Seit 2008 entwerfen Sie auch Möbel. Ein konsequenter Schritt als Interior Designerin?
Ich habe immer Möbelstücke entworfen, um eine spezielle Frage zu beantworten, ein Problem zu lösen oder ein Bedürfnis zu befriedigen. Wie z.B. beim Lounge Sessel QUI, den ich für einen bestimmten Club entworfen habe, weil ich etwas genau Passendes und Ungesehenes darin sehen wollte. Der Club ist leider nicht realisiert worden. Aber ohne diesen Auftrag hätte ich den Sessel, den ich sehr liebe, nie entworfen.

Wie gehen Sie beim Designprozess vor?

Wie schon an anderer Stelle formuliert: "Bei der Entstehung gelungener Architektur ist ein schlüssiges Konzept – was soll für wen und wie geschehen – der erste Baustein, der nur Intelligenz voraussetzt.
Der zweite Baustein, die Interpretation des Geistes eines Ortes, der manchmal sogar nach Kontrast schreit, bedarf schon viel an Feingefühl und an kulturellem Niveau.
Der dritte, eine glückliche Inspiration zum Thema, macht den entscheidenden Unterschied aus. Er schließt den Kreis mit dem Effekt einer überraschenden Selbstverständlichkeit.
Man sollte immer Meisterwerke vor Augen haben, ihre Kräfte spüren, ihre Originalität und Größe einatmen". Das bewahrt vor Banalität und zwingt zu einer gewissen Würde des Entwurfs.

Welche Künstler und Designer inspirieren Sie besonders?
Oh, zu viele, um alle zu nennen … aber einige möchte ich doch aufzählen, zu groß ist die Bewunderung.
Carlo Mollino: der technische Glamour, das Geheimnisvolle.
Gio’ Ponti: die intellektuelle Eleganz.
Joe Colombo: die Präsenz, der Mut.
Das südamerikanische Design generell: die Lässigkeit, die Materialität (Tenreiro, Zalszupin, Rodrigues).
Die südamerikanische moderne Architektur: die Freiheit, die lässige Grandezza.
Die Architektur von BIG Architects: die konzeptionelle Arbeit, die Eleganz.
Antonio Citterio: die Klasse.
Herve’ van der Straeten: das Künstlerische, das Farbgefühl.
Tom Dixon: die Authentizität.
Künstler, die mich inspirieren oder meiner Ansicht nach genial sind – das sind nicht unbedingt immer diejenigen, die mich überwältigen. Aber diese sind wichtiger und hinterlassen tiefere Spuren. Kunst wirkt grundsätzlich im Unterbewusstsein.
Also, die Emotionsauslöser:
Leonardo.
Flämische Stillleben.
Matisse.
Julian Schnabel.
Jeff Koons.
 
Inwiefern hilft Ihnen Ihr Psychologiestudium und die Erfahrung als Psychotherapeutin dabei?
Ich glaube, meine Intuition und all meine Sinne sind geschärft und geschliffen. Es hilft schon.

Interior Design dient sowohl dem physischen als auch dem psychischen Wohlbefinden. Wie greifen diese beiden Aspekte für Sie ineinander?
2:1 für das Psychische.

Welche Rolle spielt das Licht dabei für Sie?

Licht ist die Magie des Ganzen, Tageslicht wie Kunstlicht. Entweder ist ein Zauber da oder nicht, schon anwesend oder kreiert worden. Entscheidender Unterschied. Eine der wichtigsten Aufgaben.

Was lag Ihnen bei der Gestaltung der beiden italienischen Restaurants besonders am Herzen?

Die Lässigkeit. Eine ungezwungene Atmosphäre, dennoch ein wenig magisch.

Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen Raumstruktur und Gestaltung?
Eine Raumstruktur hat einen Geist. Er muss mit mir reden wollen – und ich mit ihm.

Wie wichtig sind Temperament, Lebensfreude und die Kunst des Genießens für Sie als Designerin – Eigenschaften, die als typisch italienisch gelten?
Oh! ... wie wichtig ist für Rosmarin sein Duft?

Was schätzen Sie selbst in Ihrem persönlichen Wohnumfeld? 
Die Spektakularität (die Emotionen), die Lässigkeit (das Freiheitsgefühl), den unsagbaren Chic (das Erotische).

Verraten Sie uns Ihre Lieblingsplätze?
Bei mir: meine Pinie, die maritime, die mit dem Schirm. Mein Totem zu Hause.
Manche griechischen Orte am Meer: ihre unverwechselbare Poesie, Reinheit und das absolut Wesentliche. Wie auch ein frisch gebackenes, duftendes gutes Brot. Oder Rosmarin.
Die Farbe Rot.
Piazza Duomo in Lecce.
Und: NYC. Anytime. Anywhere.

 

Das Interview führte Dr. Martina Fiess, Kunsthistorikerin und Autorin

 

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